Stockabwehr (jodori) - Ryūsuikai Aikibudō

Entwicklung der Daitō-ryū

Dem Mythos zufolge liegen die Ursprünge des Aikibudō in einer göttlichen Kampftechnik namens tegoi, welche auch die legendäre Grundlage des japanischen Sumō bildet. Gemäß Überlieferung modifizierte Kaiser Seiwa (850-878) das althergebrachte Ringen und schuf daraus eine Kampfkunst, die er an seine Nachkommen weitergab. In der sechsten Generation gelangte die Tradition an Minamoto Yoshimitsu (1045-1127). Der einflussreiche Aristokrat war ein hervorragender Bogenschütze und großer Stratege. Als Yoshimitsu beobachtete, wie eine Spinne in ihrem Netz Beute fing, offenbarte sich ihm das Geheimnis der Harmonisierung widerstreitender Kräfte (aiki). In seinem Namen wurden die Techniken erstmals methodisch zusammengefasst. Dies führte zur Entwicklung eines Systems, welches später nach der Residenz Yoshimitsus benannt wurde: „Daitō-ryū“.

Shingen-Statue in Kōfu - Ryūsuikai Aikibudō

Sein Sohn Minamoto Yoshikiyo (1075-1149) wurde in die Provinz Kai verbannt und nahm dort den Familiennamen Takeda an. Mehr als ein Dutzend Generationen später gelangte die Kampfkunst an den berühmten Feldherrn Takeda Shingen (1521-73). Vor dem Untergang des mächtigen Kriegerclans bei der Schlacht von Nagashino wurde sie von Takeda Kunitsugu (1551-92) nach Aizu gebracht, wo sie unter der Bezeichnung kogusoku („Kleine Bewaffnung“) tradiert wurde. Nur einer geringen Anzahl von Kriegern und Mitgliedern der Adelsfamilie war diese Kunst zugänglich.

Darüber hinaus spielte das oshikiuchi des Aizu-Clans eine bedeutende Rolle für die weitere Entwicklung des Aikibudō: Unter Hoshina Masayuki (1611-73), Halbbruder von Tokugawa Ietsuna und Herr des Lehens Aizu, wurden am Hofe des vierten Tokugawa-Shōguns Kampftechniken entwickelt, die eigens für den Gebrauch in den engen Kammern von Schloss Edo konzipiert waren. Dieses System trug den unkonventionellen Namen oshikiuchi bzw. oshiki-i-uchi („Hinter der ehrwürdigen Schwelle“). Die Daitō-ryū der Familie Takeda und das oshikiuchi von Hoshina Masayuki wurden zunächst separat überliefert.

Sechs Generationen nach Takeda Kunitsugu gelangte die Familientradition an Takeda Soemon (1758-1853), Vater von Takeda Sōkichi und Lehrmeister von Saigō Tanomo alias Hoshina Chikanori. Sōkichi (1819-1906) wiederum gab die Kampfkunst an seinen eigenen Sohn Takeda Sōkaku weiter. Als Sōkaku (1859-1943) für das Priesteramt ausgebildet werden sollte, machte er ebenfalls Bekanntschaft mit Hoshina Chikanori (1830-1903), der ihn in den Kampftechniken der Samurai von Aizu unterwies. Darüber hinaus soll Sōkaku mehrere Waffendisziplinen gemeistert haben, darunter Hōzōin-ryū Takadaha, Onoha Ittō-ryū und Jikishinkage-ryū.

„Die Menschen wissen: Auch wenn man auf die Strömung des Flusses einschlägt, die Spuren im Wasser verändern nicht seine Substanz." (Hoshina Chikanori)

Während der ausgehenden Meiji-Zeit verknüpfte Takeda Sōkaku die Daitō-ryū seiner Familie mit dem oshikiuchi des Aizu-Clans. Später unterrichtete er diese Synthese unter der Bezeichnung „Daitō-ryū aiki-jūjutsu“. Sōkakus bekanntester Schüler war zweifellos Ueshiba Morihei (1883-1969), der Begründer des Aikidō. Zwischen den beiden kam es widerholt zu Unstimmigkeiten, sodass sie ab 1922 getrennte Wege gingen. Sōkaku hinterließ die Schule schließlich seinem Sohn Takeda Tokimune (1916-93), der den Begriff „Aikibudō“ prägte. Heutzutage gibt es mehrere Richtungen und Organisationen, die das Erbe der Samurai von Aizu weitertragen. Zu nennen sind hier neben der Hauptlinie um Kondō Katsuyuki etwa der Takumakai, Kōdōkai, Roppōkai, Bokuyōkan und Daitōkai.


Entstehung des Ryūsuikai Aikibudō

Udo Bender, Initiator der Schule, begann 1969 mit dem Studium des Nippon Jūjutsu unter Heinrich Böhmer und Alfred Hasemeier in Köln. Wenig später machte er Bekanntschaft mit Dr. Heribert Czerwenka-Wenkstetten aus Österreich und seiner Form des japanischen Nahkampfes. Bis in die 1980er Jahre hinein lernte er von ihnen klassisches jūjutsu im Stil von Koizumi Gunji und Kawaishi Mikinosuke. Durch gute Kontakte der European Jujitsu Union zum Yōseikan und Nippon Seibukan hatte Udo Bender ferner die Möglichkeit, grundlegende Prinzipien des alten Ueshiba Daitō-ryū und des Gojū-ryū von Großmeistern wie Mochizuki Minoru und Suzuki Masafumi zu erlernen. In den Folgejahren bereiste er Mitteleuropa, um bei weiteren namhaften Lehrern seine Kenntnisse zu vertiefen. Die aiki-Lehre von Mochizuki Minoru jedoch übte den insgesamt stärksten Einfluss auf das spätere Ryūsuikai Aikibudō aus.

Wurftechnik (kataotoshi) - Ryūsuikai Aikibudō

1988 begann Udo Bender in ausgewählten Dōjō althergebrachte Kampftechniken mit Eisenfächer und Kurzstock zu unterrichten. Im Rahmen der Verbreitung und zunehmenden Institutionalisierung des aiki-jūjutsu in Europa kam es 1993 zu einer engen Zusammenarbeit mit Vertretern des Aikibudō aus Frankreich, Belgien und Dänemark. Als erfahrener Weggefährte von Udo Bender war Burkhard Becker an der anfänglichen Ausformung des Ryūsuikai unter der alternativen Bezeichnung „Nagaremizu-ryū“ beteiligt. Während der 2000er Jahre wirkte zudem die Stilrichtung Shinki-ryū von Nakajima Daishirō, über den Sohn von Udo Bender, auf das Ryūsuikai Aikibudō ein.

Heutzutage pflegt der Ryūsuikai („Gesellschaft des Fließenden Wassers“) gute Kontakte zu anderen Schulen des budō in Europa und Japan. Durch den fachlichen Austausch auf praktischer und theoretischer Ebene wird die Reifung des Systems ermöglicht. Das Ryūsuikai Aikibudō versteht sich als ein aus sich selbst heraus entwickeltes Gebilde mit hohem Traditionsanspruch.